Ein Versprechen als Angebot – Ein Pakt zwischen Industrie und Politik

Bild: gruene.de

Für Deutschland und die gesamte EU besteht die große Chance, sich durch entschlossenes Vorangehen entscheidende Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und damit klimagerechten Wohlstand zu sichern und Standards zu setzen. Annalena Baerbock schlägt daher einen Pakt zwischen Industrie und Politik vor, in dessen Zentrum Klimaschutzverträge stehen.

Der globale Wettbewerb der führenden Wirtschaftsregionen EU, USA und China ist in vollem Gange. Klimaneutralität ist die entscheidende Größe auf den Märkten der Zukunft. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wer hier die Nase vorn hat. Wer die industriellen Standards festlegt und wer Lösungen bietet für die großen Fragen unserer Zeit.

Es wird in Zukunft nicht reichen im traditionellen Sinne „nur“ die besten Autos, die besten Kraftwerke oder die besten Roboter zu entwickeln. Zentral für Erfindungen, neue Produkte und Dienstleistungen ist, welchen Beitrag sie auf dem Weg zur Klimaneutralität leisten, zu der sich alle großen Industrieregionen bis rund um die Mitte des Jahrhunderts aus guten Gründen verpflichtet haben. Wir haben nicht nur das Know-How dafür, sondern haben in der Vergangenheit bewiesen, wie ökologische Modernisierung in einem hochindustrialisierten Wirtschaftsraum gehen kann. Vorausgesetzt wir wollen es und es wird nicht von Teilen der Politik und kurzfristigen Gewinninteressen Einzelner in Konzernen ausgebremst.

Mein Vorschlag ist daher ein Pakt zwischen Industrie und Politik, in dessen Zentrum Klimaschutzverträge stehen. Dieser Industriepakt ist ein zentrales Element des Aufbruchs in eine sozial-ökologische Marktwirtschaft und fördert die Kräfte des Marktes. Er setzt einen Rahmen und gibt Beschäftigten sowie betroffenen Regionen Sicherheit. Er garantiert Unternehmen, die sich der klimaneutralen Produktion verschreiben, die notwendige Planungssicherheit für den Umbau. Denn gerade Unternehmen mit längeren Investitionszyklen brauchen diese Gewissheit, um in der Transformationsphase im internationalen Wettbewerb keine Nachteile zu erleiden. Dies gilt insbesondere wenn der CO2-Preis in anderen Regionen der Welt nicht greift.

Die klimagerechte Erneuerung ist die Chance, Wohlstand und Stabilität zu sichern. Doch dazu muss die Industrie jetzt in sie investieren. Die Aufgabe der kommenden Bundesregierung muss es dabei sein, einen verlässlichen Rahmen zu setzen.

Dieser Rahmen besteht aus meiner Sicht aus fünf Säulen:

  1. Der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien, die zu attraktiven Strompreisen und verlässlicher Versorgung mit Grünstrom und grünem Wasserstoff führen.
  2. Ein klarer CO2-Preispfad und zusätzlich Innovationsanreize durch Klimaschutzverträge (Carbon Contracts for Difference).
  3. Ein verlässliches Ordnungsrecht mit ambitionierten Mindeststandards und Prozessen, definiert nach dem Stand der bestverfügbaren Technik zur Schaffung grüner Leitmärkte, wie Quoten, die Klimaschutzinvestitionen sofort rentabel machen.
  4. Schutzinstrumente wie Grenzausgleichsmaßnahmen zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der im Wandel befindlichen europäischen Industrie.
  5. Zuschüsse für Investitionen in Leuchtturmprojekte und attraktive, beschleunigte Abschreibungsbedingungen.

Auf diesen fünf Säulen können sich die Unternehmen während ihres Umbaus stützen und die notwendigen, langfristigen Investitionen tätigen.

Klimaschutzverträge – alle Kraft auf das Wie

Ein zentraler Bestandteil dabei sind Klimaschutzverträge – oder auch Carbon Contracts for Difference genannt. Sie senken Risiken und damit Finanzierungskosten von klimafreundlichen Investitionen. Zudem setzen sie die richtigen Anreize für Emissionsminderungen und sind ein klares Signal des Engagements der Politik auf dem Weg zur Klimaneutralität der Industrie.

„Atmender“ Finanzierungsmechanismus

Solange der EU-Emissionshandelspreis noch unter den tatsächlichen Kosten des Klimaschutz-vertrags liegt, bezuschusst der Staat die Projekte. Steigt der CO2-Zertifikatepreis innerhalb der Vertragslaufzeit über den vertraglich vereinbarten Preis hinaus, ist das Unternehmen verpflichtet, diese Differenz zurück an den Staat zu zahlen.

Grenzausgleich – Für fairen internationalen Wettbewerb

In einzelnen Branchen wird die Förderung von Innovationen und Investitionen die notwendigen Impulse geben. In anderen Bereichen wird die Schaffung von Leitmärkten oder von Investitionssicherheit in Form von Klimaschutzverträgen für die notwendige Dynamik sorgen. Doch nicht alle Unternehmen werden sofort all ihre Produkte zu 100 Prozent umstellen können. Das gilt insbesondere in Branchen und bei Verfahren, die technologisch heute noch fossil basiert und mit entsprechenden CO2-Emissionen verbunden sind, wie etwa die Stahlindustrie, die Glasherstellung und die Keramikindustrie.

Jetzt in die Diskussion und Umsetzung gehen

Im letzten Jahrhundert gründete sich unser Wohlstand auf dem Verbrennen von Kohle, Öl und Gas. Das 20. Jahrhundert ist aber vorbei. Wir sind im 21. Jahrhundert und müssen endlich auch eine Politik für dieses Zeitalter machen. Denn die Märkte der Zukunft sind klimaneutral. Die Produkte der Zukunft sind klimaneutral. Und die Dienstleistungen der Zukunft werden es auch.

Dafür sind Klimaziele wichtig. Sie alleine sparen aber noch keine einzige Tonne CO2 ein. Um ein Ziel zu erreichen, braucht man eine klare Strategie und Instrumente, die ambitioniert und umsetzbar zugleich sind. Daher reicht es nicht, der Industrie auf ihrer Reise viel Glück zu wünschen, sondern man muss diesen Weg mit einer aktiven Industriepolitik unterstützen.

Es geht neben regulatorischen Vorgaben eben auch um konkrete Anreize für das Belohnen unternehmerischen Muts und Leitplanken, die nicht nur Orientierung geben, sondern auch vor Verzerrungen im globalen Wettbewerb schützen.

Nicht ohne Grund ziehen große Investoren Milliarden aus fossilen Bereichen ab und investieren in grüne Technologien. Die Frage ist also nicht, ob es so kommen wird, sondern ob der Industriestandort Deutschland und Europa auf den Weltmärkten führend sein wird. Der Industriepakt ist für mich dafür ein wesentlicher Baustein und ich lade die Industrie ein, gemeinsam hier voranzugehen.

Artikel kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.