Rede zum Haushalt 2022

von Christian Heilmann-Tröster

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrter Herr Sterr, sehr geehrte Frau Reisinger,

werte Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte zuerst wie auch in den letzten Jahren Herrn Sterr und seinem Team für die gewissenhafte Erstellung des Haushaltsplanes und die im Vorfeld geleistete Informationsarbeit danken. Alle Fragen konnten zu unserer vollen Zufriedenheit beantwortet werden.

Der HH 2022 ist (wieder einmal) ein Rekordhaushalt. Das liegt zum einen v.a. an den erfreulicherweise sprudelnden Steuereinnahmen, zum anderen an den nicht unerheblichen Investitionen.

Die erfreuliche Einnahmesituation führt auch 2022 wieder dazu, dass Deggendorf bei den freiwilligen Leistungen großzügig agieren kann. Alle Förderanträge wurden positiv beschieden. Sportvereine, Brauchtumspflege und soziale Einrichtungen können somit weiterhin auf die Unterstützung der Stadt bauen und haben Planungssicherheit.

So viel zu den positiven Aspekten dieses Haushalts.

Natürlich geht es bei einer Haushaltsdebatte nicht nur um die finanzielle Seite, sondern auch um die politische Bewertung der getroffenen bzw. der eben nicht getroffenen Entscheidungen.

Beim Thema Verkehr tut sich seit Jahren recht wenig.

Der Ausbau des ÖPNV verläuft äußerst schleppend.

Das Thema Radverkehr wird nur zögerlich vorangetrieben. Hier fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept. Wir erhoffen uns hier durch den Beitritt zur Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen einen Schub, da hier Experten von außen kommen und sich die Situation anschauen. Da im HH die für den Mitgliedsbeitrag benötigten 2500.- eingestellt sind, gehen wir davon aus, dass unserem diesbezüglichen Antrag entsprochen werden könnte. Auch werden im kommenden Jahr auf unseren Antrag hin abschließbare Fahrradboxen installiert, wobei auch hier noch deutlich mehr nötig wäre. Die Situation am Bahnhof ist z.B. seit langem untragbar. Hier hören wir seit Jahren die immer gleiche stereotype Auskunft: „Die Bahn ist ein schwieriger Verhandlungspartner, aber wir sind dran.“

Das leidige Thema der enormen Belastung der Innenstadt durch Raser und „Rundendreher“ wird seit Jahren verschleppt. Schon im Verkehrsausschuss am 24. Juli 2014 (!) wurde folgender Beschluss gefasst: „Die städtische Verkehrsplanung wird beauftragt, ein Gesamtkonzept zur Verkehrsführung in der Innenstadt zur Reduzierung der Anwohnerbelastung durch Lärm zu erarbeiten.“ Geändert hat sich nichts.

Das Thema Fußgängerzone war schon vor 35 Jahren aktuell, auch hier geht nichts vorwärts. Im DA vom 16.1.1986 wird über die Umwandlung der Rosengasse in eine FuZo berichtet. Dort heißt es: “Gegenargumente wurden in der Diskussion aus dem Weg geräumt. So wurde die Auffassung vertreten, von den Geschäften sei es für die Kunden zu weit zu den Autos, wenn diese nicht mehr hineinfahren dürften. Einer solchen Auffassung zu folgen, hätte bedeutet, generell auf Fußgängerzonen zu verzichten. Die Tiefgarage am Ende der Rosenstraße sei schließlich nicht sehr weit. Allgemein wurde die Erwartung ausgedrückt, dass die Straße durch die Umwandlung zur Fußgängerzone gewinnen…werde.“

Auch der Einzelhandelsverband hat schon vor 20 Jahren in einer Untersuchung festgestellt:

„Fußgängerzonen haben sich als wichtiger Faktor für attraktive Innenstädte etabliert. Sie können bei richtiger Gestaltung erheblich zur Attraktivität der Innenstädte für Handel und Bürger beitragen.“

Viele Städte machen es ja seit Jahren vor, Straubing sei hier nur beispielhaft erwähnt. Innenstädte müssen attraktiver werden, zum Wohnen, Flanieren, sich aufhalten. Aber diese Aufenthaltsqualität schafft eben nicht der Autoverkehr. Das geht mit Begrünung, Sitzgelegenheiten, Außengastronomie ohne Lärm und Gestank. Wer ständig von der „Guten Stube Innenstadt“ spricht, sollte auch dafür sorgen, dass sie vom Autoverkehr befreit wird.

Das Thema „Raser“ u.a. in der Graflinger Straße konnte bisher nicht ansatzweise gelöst werden. Nun sollte man es mit stationären Blitzern versuchen. Die gesetzlichen Vorgaben wurden hierzu geändert, ein Antrag der Grünen wird demnächst folgen.

Wie wenig zukunftsorientiert und wie rückwärtsgewandt aber das Denken bei den Verantwortlichen ist, wenn es um das Thema „Motorisierter Individualverkehr“ geht, zeigt die ebenfalls uralte Brückendiskussion. Wem in der heutigen Zeit mit Klima- und Verkehrswende nichts anderes einfällt, als immer neue Straßen zu bauen, um damit vermeintlich Verkehrsprobleme zu lösen, der hat die letzten Jahre offensichtlich verschlafen. Straßen- und Brückenbau setzen zu allererst erhebliche CO2-Mengen frei, Stichwort Stahl- bzw. Zementindustrie. Und: Neue Straßen generieren neuen Verkehr, das ist seit Jahrzehnten wissenschaftlich belegt.

Es sei erlaubt, an dieser Stelle Gerhard Polt zu zitieren, der in einem seiner Sketche fragt „Braucht’s des, ha, braucht’s des?“ Um es ganz klar zu sagen: Deggendorf braucht diese Brücke nicht! Wir brauchen einen zügigen Ausbau und eine Attraktivierung des ÖPNV. Ein Waldbahn-Haltepunkt Fischerdorf wäre ein wichtiger Schritt. Wir Grüne haben bereits einen entsprechenden Antrag formuliert.

Auch der Flickenteppich an Tempo-30-Zonen muss dringend systematisiert werden. Manches in diesem Bereich ist rational nicht nachvollziehbar. Warum in der Otto-Denk-Straße eine Geschwindigkeitsreduzierung immer wieder abgelehnt wird, obwohl sie sehr vielen Radlern als Zubringer zur Fahrradstraße dient und gefährliche Situationen an der Tagesordnung sind, erschließt sich, zumindest uns, nicht.

Beim Bauen galt bisher die Devise „Immer mehr, immer mehr!“. Das sehen wir anders. Es wird zu viel gebaut, Leerstände sind unübersehbar, werden aber bisher nirgends erfasst.

Deshalb haben wir Grüne hierzu einen entsprechenden Antrag gestellt, um endlich Klarheit zu haben.

Und: Zum Teil wird das Falsche gebaut, nämlich Wohnungen im hochpreisigen Sektor, während für Normalverdiener und sozial Schwächere kaum bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird (außer durch die Stadtbau). Deshalb haben wir Grüne bereits 2019 einen Antrag auf Einführung der „Sozialen Bodennutzung“, wie sie im Baugesetz auch vorgesehen ist, gestellt. Dies wurde kürzlich einstimmig im Stadtrat beschlossen. Die verbindliche Quote für den sozialen Wohnungsbau wurde auf 20% festgesetzt. Hier ist noch Luft nach oben.

Eine Bebauung des Klosterbergs lehnen wir ab. Sie ist überflüssig und aus Gründen des Umwelt- und Naturschutzes nicht zu rechtfertigen.

Noch ein Wort zum Thema Bauen: Wir müssen hier umdenken und künftig viel intensiver prüfen, inwieweit ein Umbau im Bestand möglich ist. Abriss und Neubau mögen oft schneller und einfacher sein, für die CO2-Bilanz wirkt sich die Abrissbirne aber äußerst nachteilig aus.

Beim Thema Klimaschutz tut sich einiges, das ist gut so und zu begrüßen. Deggendorf hat sich durch seine von uns beantragte Mitgliedschaft im Klimabündnis dazu verpflichtet, seinen CO2-Ausstoß deutlich zu verringern. Einen Antrag, künftig alle Maßnahmen bezüglich ihrer Folgen für die Klimabilanz zu prüfen, haben wir kürzlich gestellt. Nachdem unser Antrag auf Einführung eines allgemeinen Dachsolarkatasters 2020 noch als zu aufwändig abgelehnt wurde, soll nun ein entsprechendes Kataster in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt für den gesamten Landkreis erarbeitet werden. Geht also doch.

Positiv anzumerken ist auch, dass ebenfalls auf unseren Antrag hin mehrere PV-Anlagen auf Schul- bzw. Kita-Dächer montiert werden, wobei sehr lobenswert ist, dass man auch das neue Rathaus entsprechend aufrüsten wird.

Der Baustoff Holz muss in Zukunft deutlich öfter Verwendung finden. Auch hierzu haben wir einen entsprechenden Antrag gestellt. Bisher wurde das zumeist nicht einmal geprüft.

Und zum Thema Holz: So gut und wichtig es ist, Bäume zu pflanzen, mindestens genauso wichtig wäre es, bereits vorhandene, alte Bäume zu schützen. Zu einer Baumschutzverordnung konnte sich die Stadtratsmehrheit aber bisher nicht durchringen. Wir werden aber demnächst einen weiteren Anlauf unternehmen.

Der Antrag, alle vorhandenen Daten unseres Baumkatasters online zu stellen, ist noch in Bearbeitung.

Unser Antrag, künftig stets auch die Begrünung von Fassaden mitzudenken, wurde einstimmig beschlossen. Jetzt gilt es, das auch umzusetzen.

Die Prüfung eines Verbots von Steingärten, was auch die CSU fordert, „weil es die Grünen ohnehin getan hätten“, steht noch aus.

Zum Thema Transparenz haben wir in diesem Jahr auch etliche Anträge gestellt:

Unterlagen für öffentliche Sitzungen nach Versendung auch ins Internet stellen (wie es mehrere Kommunen seit Jahren praktizieren): abgelehnt.

Offenlegung von Geschäftlichen Beziehungen einzelner Stadträt*innen zu Stadt bzw. städtischen Tochterunternehmen, wie es in einem an uns alle verteilten Merkblatt für kommunale Mandatsträger gefordert wird: abgelehnt.

Audio-Streaming von Sitzungen ins Internet: abgelehnt (Übrigens auch von der SPD, die dies in ihrem Kommunalwahlprogramm gefordert hat).

Gerade in Pandemie-Zeiten sollte uns das ein Anliegen sein, ebenso wie die Möglichkeit von Hybrid-Sitzungen, die es bisher auch noch nicht gibt. Dass das dringend erforderlich ist, zeigt die Situation im Münchner Stadtrat, der aufgrund zahlreicher Quarantänefälle kaum mehr beschlussfähig ist.

Positiv anzumerken ist an dieser Stelle, dass städtische Schulen und Kitas weitgehend mit Luftfiltern ausgestattet sind. Auch wenn die Verwaltung und die meisten Kolleginnen und Kollegen anfangs recht skeptisch waren, ist man diesen Weg mitgegangen. Ich denke, wir können angesichts der derzeitigen Situation froh sein, so gehandelt zu haben.

Es bleibt alles in allem noch viel zu tun, wir Grüne bleiben am Ball.

Zum Schluss noch ein großes Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Deggendorf und der städtischen Tochterunternehmen, die mit viel Engagement und großem Einsatz auch unter sehr schweren Bedingungen dazu beitragen, dass Deggendorf insgesamt doch recht erfolgreich ist.

Dank auch an die Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat. Trotz mancher Meinungsverschiedenheiten haben wir doch zum Wohle der Stadt meist recht gut zusammengearbeitet. Wir hoffen, dass das auch künftig so bleibt. An uns soll’s jedenfalls nicht scheitern.

Die Fraktion B’90/Die Grünen stimmt dem Haushaltsentwurf 2022 trotz der aus unserer Sicht unnötigen Mittel in Höhe von 90000,- für Untersuchungen zu einem Brückenbau zu.

Christian Heilmann-Tröster

Fraktionsvorsitzender von B’90/Die Grünen im Deggendorfer Stadtrat

Artikel kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.